“Es ist…vollkommen natürlich dass sich Mönche aller Dharmas (1) gegenseitig als Brüder über die Grenzen ihres eigenen Dharmas hinaus erkennen sollten. Das ergibt sich daraus, dass sie die Gesamtheit der religiösen Symbole für die alle von ihnen Zeugnis ablegen, hinter sich lassen. Es gibt in der Tat einen ‘klösterlichen Orden’ der universal ist und der sie alle umschliesst… Trotz aller Unterschiede in Ordensregeln, Sprache und kulturellem Hintergrund erkennen sie gegenseitig in den Augen der anderen die Tiefe welche der Eine Geist in ihren eigenen Herzen geöffnet hat. Sie empfinden die innere Erfüllung, das Licht und den unbeschreiblichen Frieden der davon ausgeht; und wenn sie einander umarmen…dann ist das ein Zeichen dass sie ihre unmittelbare Nicht-Zweiheit oder Non-Dualität gefühlt und erkannt haben, denn in Wirklichkeit gibt es im Bereich des Ajata, des Nicht-Geborenen, nichts was ‘ etwas anderes’ wäre.” (2)
Nach der Auflösung der Abhishiktananda Gesellschaft (3) im Jahr 2008 scheint es nunmehr angebracht zu sein einen Einblick in eine ihrer spirituellen Nachlasseinrichtungen zu vermitteln: Ajatananda Ashram ist ein interreligiöser klösterlicher Ashram (4) am Ufer des heiligen Ganges. Der Ashram liegt in der Nähe des von Hindus verehrten Pilgerortes Laxman Jhula, einige Kilometer flussaufwärts der Stadt Rishikesh in den Ausläufern des Himalayas. Die Schönheit der Umgebung und die Ausstrahlung des heiligen Flusses sind ideale Bedingungen für spirituelle Praxis oder Sadhana (5).
Die Gründung des Ashrams war von der lange gehegten Vision Swami Abhishiktanandas (1910-1973) inspiriert, eine interreligiöse klösterliche Gemeinschaft aufzubauen in der alle auf der Suche nach der inneren Wahrheit, die im Mittelpunkt aller grossen religiösen Traditionen steht, vereint sein würden. Diese Vision hat den Ashram dazu bewogen als sein Motto ‘Die Wahrheit ist eine, der Wege sind viele’ zu wählen. Der Ashram ist nach Swami Abhishiktanandas vorrangigem Schüler, Swami Ajatananda Saraswati (Marc Chaduc), benannt.
Eine der eindrücklichsten Aussagen Swami Abhishiktanandas war, dass sich ein Leben der Entsagung oder als Mönch jenseits aller Dharmas befindet und es ist auf dieser gemeinsamen Grundlage, dass der Dialog zwischen verschiedenen Traditionen als Erfahrung gelebt werden kann. Swamiji (6) hatte gehofft selbst einen solchen Ort im Stil eines indischen ‘Matha’ oder klösterlichen Ashrams aufzubauen, welcher dies zum Ausdruck bringen sollte; es war genau diese Motivation die ihn im Jahr 1948 nach Indien führte. Ein Brief Swamijis an Fr. Jules Monchanin (7) aus dem Jahr 1947 zeigt, dass seine Vision stets stark darauf ausgerichtet war einen Ashram aufzubauen in dem Suchende verschiedener Traditionen (in diesem Zusammenhang vor allem Hindus und Christen) zusammen ihrer gemeinsamen Berufung folgen würden. ‘Ich sehe die Entwicklung eines Ashrams voraus zu dem Hindus und Christen auf der Suche nach Nahrung für ihr spirituelles Leben kommen werden.’ (8)
Dieser Perspektive folgend gründete Swami Abhishiktananda im Jahr 1950, zusammen mit Fr. Monchanin, den Ashram von Shantivanam in Tamil Nadu (9). In späteren Jahren verfolgte Swamiji zunehmend den Gedanken auch im Norden Indiens einen Ort für diejenigen zu schaffen, die sich dazu berufen fühlten ihr Leben vollständig der spirituellen Suche zu widmen. Im Jahr 1959 schrieb Swamiji, wie sehr er von der Kraft des Ganges als einen Ort für spirituelle Sadhana beeindruckt war und dass dies die ideale Umgebung wäre solch einen Ashram aufzubauen. ‘Der Himalaya hat mich erobert! Es ist am Ufer des Ganges wo sich Shantivanam befinden sollte. Ich weiss nicht ob dies je der Fall sein wird, aber es wäre wundervoll.’ (10)
Am Ende des Jahres 1973, nur zwei Wochen bevor er seinen Körper verliess, brachte Swamiji diese Stimmung erneut in einem Brief an Swami Ajatananda zum Ausdruck: ‘Alles muss erneut aus der Tiefe kommen… Es ist für diejenigen (die sich danach sehnen diese Tiefe zu realisieren) dass ich gerne einen Platz am Ganges hätte um sie zu empfangen.’ (11)
Obwohl der Ashram im Norden von dem Swamiji geträumt hatte während seines Lebens niemals Wirklichkeit wurde, blieb die Vision lebendig. Bereits im Jahr 1985 dachte die Abhishiktananda Gesellschaft, unter der Leitung von Prof. Raimon Panikkar, über die Möglichkeit nach einen interreligiösen Ashram, der sich am Leben und den Idealen Swami Abhishiktanandas ausrichten würde, aufzubauen. Das Projekt konnte aus mehreren Gründen nicht realisiert werden, aber der Kern des Vorschlags ging trotzdem nicht verloren. Beinahe 20 Jahre später, im Oktober 2002, beschloss das Entscheidungskommittee der Abhishiktananda Gesellschaft die Gründung eines kleinen interreligiösen Ashrams beruhend auf Swamijis Vision. Im August 2003 wurde ein geeignetes Grundstück in Tapovan, in der Nähe von Rishikesh, ausfindig gemacht. Das Ashramprojekt wurde dann im Dezember 2003 unter der Leitung des damaligen Sekretärs der Gesellschaft gestartet.
Nach den notwendigen Bauarbeiten und dem Ankauf des Nachbargrundstücks für die Bereitstellung von mehr Unterkunft wurde Ajatananda Ashram im November 2006 eingeweiht. Die Einweihungsfeierlichkeiten und Segnung des Ashrams wurde von H.H. Sri Chandra Swami Udasin angeführt, einem wohlbekannten weisen Meister dessen Ashram am heiligen Yamuna Fluss, in der Nähe von Dehra Dun, liegt. An der interreligiösen Feier nahmen Mönche, Nonnen und spirituell Suchende verschiedener religiöser Traditionen bei. Viele Heilige erteilten ihren besonderen Segen und hielten Ansprachen, unter ihnen H.H. Sri Swami Chidananda Saraswati, der mittlerweile verstorbene frühere Präsident der Divine Life Society und auch H.H. der 14 Dalai Lama.